Ob Hammer- oder Speerwurf: Leichtathlet Wolfgang Kownatka gewinnt mit 87 Jahren noch immer bei Weltmeisterschaften. Zudem hält er sich mit flotten Märschen fit und schreibt Gedichte für seine eigene Webseite. Das Alter spürt er kaum. Wie macht er das nur?
Wolfgang Kownatka hat bei Welt- und Europameisterschaften Dutzende Goldmedaillen gewonnen. Nur ist dies in der breiten Öffentlichkeit bislang wenig bekannt. Dabei schleudert er Keulen, Speere, Hämmer und Kugeln meterweit über den Rasen. Einige dieser Sportgeräte wiegen bis zu acht Kilogramm. “Ich fühle mich topfit. Vielleicht bin ich nicht mehr so schnell wie früher. Sonst habe ich keine Beschwerden”, so Kownatka aus Sinzig bei Bonn.
Es gibt wohl wenige Gleichaltrige, die das von sich sagen. Denn Wolfgang Kownatka ist bereits 87. Während viele in diesem Alter körperliche und mentale Probleme haben, ist er als Leichtathlet immer noch aktiv. Dreimal wöchentlich trainiert er jeweils eineinhalb Stunden auf dem Sportplatz. Zurzeit bereitet er sich auf die LSW-Weltmeisterschaft vor, die vom 1. bis 3. August im tschechischen Lovosice stattfindet.
“Meine Gesundheit verdanke ich nicht nur meinen guten Genen”
“Es ist ein großes Glück, dass ich noch so vital bin. Doch dies verdanke ich nicht nur meinen guten Genen.” Schon seit frühester Kindheit ist Sport seine Leidenschaft. In den Vierzigerjahren war die Infrastruktur in seiner Heimatstadt Goslar am Harz dafür zwar kaum vorhanden, doch Kownatka und seine Freunde rannten über Wiesen und durch Wälder – im Winter gingen sie Skilaufen.
“Wir hatten außerdem einen sehr engagierten Lehrer, der uns in die Leichtathletik eingeführte.” Und so gewann der damals 12-Jährige 1950 an seiner Schule seinen ersten Dreikampf – ein Wettbewerb, der Laufen, Springen und Werfen vereint. Ab da trainierte er im örtlichen Turnclub vor allem Leichtathletik. Ob Hammerwurf, Hürdenlauf oder Weitsprung – fast keine Disziplin ließ er aus.
Erfolgreich war er auch bei Wettkämpfen und trotzdem entschied er sich gegen den Leistungssport. “Vielleicht hätte ich es bis zur Olympiade geschafft, doch dafür hätte ich über meine Grenzen hinaus trainieren müssen.” Ihm sei aber schon früh klar gewesen, dass er sein ganzes Leben lang mit Freude Sport treiben wollte: “Durch zu extremes Training riskiert man gesundheitliche Schäden.”

Karriere in der Bundeswehr
Stattdessen machte er Karriere in der Bundeswehr. Doch auch dort bestritt er bis Mitte der 70er-Jahre viele Leichtathletik-Wettkämpfe. Danach entdeckte er die damals neue Trendsportart Volkslauf und Tennis – allerdings ohne große Ambitionen. “In dieser Zeit war ich mit meinem Beruf und meiner Familie ausgefüllt.” So sei es ihm und seiner Frau stets wichtig gewesen, seine beiden Töchter für die Bewegung zu begeistern.
Wolfgang Kownatka blickt auf eine 62-jährige berufliche Laufbahn zurück. Bis 1986 war er Pressesprecher in der Bundeswehr und NATO, später übte er diese Tätigkeit in Verbänden aus. Nach seiner Pensionierung leitete er für einige Jahre das Wahlkreisbüro des FDP-Bundestagsabgeordneten Dr. Dieter Thomae und war danach bis 2019 als Journalist, Marketing- und PR-Berater aktiv. “Mit über 80 bin ich zwar beruflich kürzer getreten, doch ich schreibe noch immer sehr gerne.” Am liebsten Gedichte und Aphorismen, die er auf seiner Webseite veröffentlicht.
“Ich kann die Welt ein Stück besser machen”
“Man darf nie aufhören, geistig und körperlich aktiv zu sein. Sonst baut man im Alter schnell ab”, so Kownatka. Man glaubt ihm leicht, dass er mitten im Leben steht. Ein Gespräch mit ihm ist wie eine spannende Zeitreise, die von den Nachkriegsjahren bis zu den Freuden und Herausforderungen der Gegenwart geht. “Ich kann die Welt nicht retten. Aber ich kann sie ein Stück besser machen, indem ich andere unterstütze.” So leistet er etwa regelmäßig Nachbarschaftshilfe, wenn jemand krank ist oder in den Urlaub fährt. Er bestimme aber selbst, wem er seine Hilfe anbiete: “Es nützt niemandem, wenn man sich aufopfert und dabei kaputtgeht.”
“Nicht übertreiben” – dieser Grundsatz zieht sich durch Kownatkas Leben. So achten er und seine Frau Gisela, selbst Sport- und Gymnastiklehrerin, etwa auf eine gesunde Ernährung. “Wir essen viel Gemüse und Fisch.” Trotzdem dürfe es auch mal ein Stück Kuchen oder ein Glas Wein sein: “Genuss darf nicht zu kurz kommen.”
“Ich höre auf meinen Körper”
Auch beim Sport habe er stets auf seinen Körper gehört: “Wenn ich Schmerzen habe oder müde bin, pausiere ich oder reduziere mein Pensum.” So rennt er etwa nicht mehr wie früher die Weinberge hoch, die sich hinter seinem Haus befinden. Doch er erklimmt sie noch immer täglich im flotten Tempo. “Pro Tag lege ich rund 14.000 Schritte zurück”, erzählt er. Mit dabei sind stets seine Hündin und sein Telefon. Doch auch eine Notrufuhr oder einen -Knopf hält er für sinnvoll, falls doch mal unterwegs etwas passieren sollte. „Bisher habe ich solche Gedanken immer verdrängt, da ich mich nicht alt fühle.“
Sport sei sein Jungbrunnen. Vor allem die Leichtathletik gebe ihm viel. 2008 hat er diese Sportart wieder entdeckt und trainiert seither im örtlichen Verein, dem TV Sinzig 08. Vor allem das Wettkampfprogramm des LSW-Spezialsports habe ihn begeistert – hier messen sich die Teilnehmer in unterschiedlichen Wurfdisziplinen wie Speerwurf, Kugelwurf-Dreikampf (Speerorama), Keulenweitwurf oder Igmander- und Schottenhammerwerfen.
Kein Ende in Sicht
Doch Kownatka liebt es nicht nur, beim Training seine Muskeln zu stärken und an seiner Technik zu feilen. Auch das Soziale sei wichtig: “Man lernt einander, die Erfolge zu gönnen und mit Niederlagen umzugehen.” Neid und Missgunst hätten im Sport nichts verloren.
Wobei der 87-Jährige erfolgsverwöhnt ist. Denn auch in seiner Alterskategorie der M85 gibt es noch immer Konkurrenz. So setzt er sich jeweils gegen drei bis elf Teilnehmer durch und im Schottenhammerwerfen erzielte er 2024 gar einen Weltrekord mit einer Weite von 17,63 Metern. “Solange ich Freude und die Kraft dazu habe, möchte ich mich weiter mit anderen messen.” Ein Ende seiner sportlichen Karriere sei jedenfalls nicht in Sicht.
* Titelbild: Dreimal Gold bei den Deutschen Meisterschaften des LSW in den Disziplinen: Speerorama, Keulenweitwurf und Speerwurf-3-Kampf v.l.n.r. Wolfgang Geyer, Tokessa Zinn, Wolfgang Kownatka in Bingen 2021.