Senioren die bis ins hohe Alter Autofahren sind ein Reizthema. Die Jüngeren bangen um die Verkehrssicherheit, die Senioren um ihre Mobilität und Selbstbestimmung. Sollten Senioren das Auto ab einem gewissen Alter ganz stehen lassen?
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ToggleSenioren wollen weiterhin mit dem Auto fahren
Der Führerschein kennt keine Altersgrenze. Autofahrer von über 75 Jahren sind längst keine Seltenheit mehr. Senioren tun sich schwer, auf ihren fahrbaren Untersatz zu verzichten, denn das Autofahren im Alter ermöglicht Senioren ein eigenständiges Leben. Die Tour am Wochenende zum Supermarkt, mit dem Auto zum Arzt oder zur Hausapotheke am anderen Ende der Stadt – das ist Lebensqualität, die man auch mit 80 Jahren nicht missen möchte. Dann wird schon mal verdrängt, dass einem der Körper Grenzen setzt. Eigene Defizite wahrzunehmen, damit tun sich ältere Menschen schwer. „Meine Augen sind noch gut, ich höre einwandfrei, mein Nacken macht keine Probleme beim Zurückschauen“: Häufig beurteilen Senioren ihre Fähigkeiten als zu positiv, neigen zur Selbstüberschätzung und stufen sich im Vergleich zu ihrer Altersgruppe als überdurchschnittlich gute Fahrer ein. Schließlich will man auch als älterer Mensch noch ernst genommen werden in einer Gesellschaft, in der Jugend, Leistungsfähigkeit und Mobilität so viel zählen. Dank demografischem Wandel, einem allgemein besseren Gesundheitszustand und einer hohen Pkw-Verfügbarkeit wird die Zahl der Senioren die Autofahren weiter steigen. Die »Babyboomer« kommen in die Jahre und damit eine Generation, die ihr Leben lang Auto gefahren ist und es auch weiterhin tun wird.
Fahrtauglichkeitstest in anderen EU Ländern
2013 wurde der Europäische Führerschein reformiert. Er ist nun nicht mehr auf Lebenszeit gültig. Die Führerscheine müssen alle 15 Jahre neu beantragt werden. Alte “Lappen”, die vor 2013 ausgestellt wurden, müssen bis 2033 gegen einen neuen EU-Führerschein ausgetauscht werden. Die EU hat es ihren Mitgliedsstaaten allerdings freigestellt, regelmäßige Gesundheits- oder Fahrtauglichkeitstests als Auflage für den Führerschein zu machen. Und so gibt es in einigen EU-Ländern, wie zum Beispiel in den Niederlanden und Portugal, regelmäßige Checks für Senioren, in anderen wie Deutschland nicht. Rund 59 Millionen Führerscheinbesitzer würde ein Gesundheitscheck in Deutschland betreffen. Davon sind über 16 Millionen Autofahrer Senioren über 65 Jahre, die sich einem Test unterziehen müssten um weiterhin im Alter autozufahren.
Sind Senioren die Autofahren ein Verkehrsrisiko?
Aber sind ältere Autofahrer tatsächlich ein Risiko und brauchen einen flächendeckenden Test für Autofahren im Alter? Sollte die Fahrerlaubnis im Alter eingeschränkt werden? Was ist mit verpflichtenden Tests für Senioren die Autofahren? Ein Blick auf die Unfall-Statistiken zeigt: Pauschale Forderungen lassen sich hiermit kaum stützen. Im Jahr 2015 wurden insgesamt 210.000 Verkehrsunfälle mit Personenschaden von Autofahrern verursacht. Jeder fünfte Pkw-Fahrer, der einen Unfall verschuldet hatte, war jedoch zwischen 18 und 24 Jahren alt. Lediglich jeder dreizehnte Unfallverursacher zählte in die Kategorie der Senioren. Grundsätzlich steigt das Risiko für einen Unfall beim Autofahren zu haben bei Senioren ab etwa 75 Jahren jedoch deutlich an, das belegen Studien des Statistischen Bundesamts. Bei einem Fahrer Ende 70 ist das allgemeine Unfallrisiko doppelt so hoch wie bei Fahrern zwischen 30 und 60 Jahren, mit Ende 80 ist laut Deutscher Verkehrswacht das Unfallrisiko mit dem von Fahranfängern vergleichbar. »Im Alter wird alles etwas weniger«, klagen viele Senioren. Tatsache ist: Das Älterwerden geht zwangsläufig mit bestimmten Funktionseinbußen einher, und das wirkt sich auch auf den Straßenverkehr aus. Sehstärke, Hörfähigkeit und Reaktionsvermögen – wichtige Parameter beim Autofahren – nehmen mit den Jahren ab. Zumindest eine Zeit lang lassen sich die Beeinträchtigungen mit einer angepassten Fahrweise kompensieren. Sie beginnen, unbekannte Strecken und Fahrten im Dunkeln zu meiden, fahren nicht zu Hauptverkehrszeiten oder lassen das Auto bei Schnee und Regen stehen. Generell sind Senioren beim Autofahren vorsichtiger. Ältere Menschen fallen selten durch Raserei und dichtes Auffahren auf. Es knallt häufiger in Situationen wie Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren oder Einparken. Es sind also weniger Leichtsinn oder Unvernunft, die hier zu Unfällen führen als vielmehr Einschränkungen bei der Informationsaufnahme und -verarbeitung komplexer Situationen.
Was spricht dafür – was dagegen wenn Senioren Autofahren?
An der Frage scheiden sich die Geister: Sollten Senioren den Wagen ab einem gewissen Alter ganz stehen lassen und nicht mehr autofahren?
Was spricht gegen das Autofahren im Alter?
Das Altern ist ein schleichender Prozess. Bereits ab 50 Jahren verschlechtern sich Sinne wie Sehen und Hören. Gerade bei Menschen mit einer Erkrankung wird das Autofahren kritisch – auch unabhängig vom Alter. Ein Problem ist außerdem, dass viele Autofahrer ihre Fahrtüchtigkeit selbst nicht richtig einschätzen können. Deshalb ist es wichtig, dass Senioren auf ihre Fahrtüchtigkeit beim Autofahren geprüft werden: Ein Test erkennt Mangelnde Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit, Bewegungseinschränkungen, welche sonst zur Gefahr für alle Verkehrsteilnehmer werden.
Was spricht dafür das Senioren weiterhin Autofahren?
Entscheidend für eine unfallfreie Teilnahme am Straßenverkehr sei nicht das Alter, sondern der Gesundheitszustand des Fahrers, meint der ADAC. Das Alter allein macht noch lange keinen schlechten Fahrer. Deshalb könne man Senioren die Autofahren nicht pauschal ihre Fahrtüchtigkeit absprechen. Sie verfügten oft über genügend Erfahrung, um vorausschauend zu fahren und ihren Fahrstil der jeweiligen Verkehrssituation anzupassen. Gegen einen Test ob man noch Autofahren kann, wie es ihn beispielsweise in anderen europäischen Ländern gibt, spricht nach Ansicht des ADAC, dass bisher entwickelte Verfahren nicht aussagekräftig genug seien. Dazu kommt, dass ein positives Testergebnis die Senioren möglicherweise dazu verleite, die eigenen Fähigkeiten beim Autofahren zu überschätzen. Deshalb lautet Rat des ADAC: Senioren sollten sich freiwillig einem ärztlichen Test zu ihrer Fahrtauglichkeit unterziehen. Tipps sind auch das im Alter beim Autofahren Gesundheitliche Defizite zum Teil durch Fahrassistenzsysteme wie eine Einparkhilfe ausgeglichen werden können. Es ist darüber hinaus ratsam, sich mindestens einmal im Jahr vom Arzt durchchecken lassen. Wichtig ist, dass die Eigenständigkeit der Senioren durch das Autofahren erhalten bleibt: Da der öffentliche Nahverkehr gerade in ländlichen Gegenden teilweise nicht gut ausgebaut ist, fallen mit dem Auto zugleich Selbstständigkeit und soziale Kontakte im Alter weg. Der Umstieg auf das Fahrrad ist zumindest keine sichere Alternative: Fast jeder zweite verunglückte Radfahrer ist 65 Jahre oder älter.
Im Alter freiwilligen Test zum Autofahren ablegen
Trotz allem für und wider steht die Forderung nach verpflichtenden Untersuchungen für Senioren auch bei den Versicherern weiter im Raum. So plädiert die Unfallforschung der Versicherer für obligatorische Gesundheitschecks und eine durch einen speziell geschulten Fahrlehrer begleitete Autofahrt für alle Senioren ab 75 Jahre. Senioren seien bei solchen Tests oft überrascht von ihren Defiziten beim Autofahren im Straßenverkehr. Doch solche Untersuchungen sind nicht in Sicht. Am Ende steht immer der Appell an die Vernunft des Einzelnen. Wenn es nicht mehr geht mit dem Autofahren im Alter, dann ist der Beste Tipp immer noch immer der, den Führerschein rechtzeitig abzugeben. Der TÜV bietet freiwillige, kostenpflichtige Leistungsüberprüfungen für ältere Verkehrsteilnehmer an. Aber solange das Thema Fahrsicherheit im Alter stiefmütterlich behandelt wird, ist auch die Bereitschaft, sich frühzeitig testen zu lassen, reduziert. Speziell, wenn es etwas kostet. Das Ideale wäre eine konzertierte Aktion: Die Versicherungen sollten Rabatte geben, wenn sich jemand auf Fahrtauglichkeit prüfen lassen will und dem Arzt steht ein Honorar für eine entsprechende Beratung seiner älteren Patienten zu. Sich eigenverantwortlich untersuchen zu lassen, muss selbstverständlich werden.