Ein Leben lang gearbeitet, gefühlt immer zu wenig Urlaub gehabt und dann ist es endlich erreicht: das Rentenalter. Plötzlich hat man alle Zeit der Welt. Und die möchte man womöglich nicht nur auf dem heimischen Balkon verbringen. Für viele Senioren bedeutet reisen nun: Action – was erleben!
Inhaltsverzeichnis
ToggleImmer mehr Senioren reisen – aber nicht zur Kur
“Geselligkeit, endlich mal raus aus den eigenen vier Wänden, Gemeinschaft erleben“, erläutert Günter Büttgen, Leiter des Awo-Reisedienst, warum Urlaubsreisen bei Älteren so beliebt sind. Noch nie waren so viele Senioren unterwegs wie in den letzten Jahren. In der Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen liegt die Reiseintensität mittlerweile bei 75 Prozent, bei den über 70-Jährigen bei 60 Prozent. 29 Prozent aller Urlaubsreisenden sind Senioren. – und wer jetzt denkt, dass es hauptsächlich an den nächstgelegenen Kurort geht, der irrt. Es scheint, als wären wir im Alter abenteuerlustiger denn je.
Senioren wollen auf ihrer Reise nicht die Füße hochlegen
Im vergangenen Jahr waren Ursula und Dieter G. aus Stuttgart fünf Wochen in Australien, von Melbourne über das Great Barrier Reef bis zum mythenumwobenen Uluru: ein halbes Dutzend Inlandsflüge, Tausende Kilometer im Mietwagen, fast jede Nacht in einem anderen Hotel. Wenige Wochen nach seiner Rückkehr plant das Seniorenpaar, seit einem Jahr in Rente, bereits den nächsten Seniorenurlaub: drei Wochen Namibia, von Etosha bis zum Caprivizipfel, auch diesmal wieder alles übers Internet und mithilfe eines Reisebüros individuell organisiert.
Tipp:
Senioren sollten sich vor Antritt der Reise über eventuelle Reisewarnungen für den Zielort zu informieren. Auf der Internetseite des Auswärtigen Amts sind die relevanten Warnungen für sämtliche Länder der Welt aufgeführt.
Natürlich stehen die G.s nicht für die Mehrheit, aber doch für eine immer schneller wachsende Gruppe der sogenannten Seniorenreisen 60 plus. Sie sind fit, verfügen über eine relativ hohe Rente sowie ausreichend Zeit und Lust, sich die Welt anzusehen. “Senioren wollen im Urlaub meist nicht die Füße hochlegen“, sagt Philipp Wagner von der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR). Ruheständler wollen heute vor allem eins: Action! Erholungsurlaub ist beim Senioren Urlaub out. Ebenso Familien- und Besuchsurlaub, entgegen dem Gesamttrend. Sie machen deutlich mehr Städte-, Rund- und Naturreisen als der Rest der Bevölkerung. „Die Best Ager definieren sich über ihr Lebensgefühl, nicht über das numerische Alter. Sie sind immer auf der Suche nach neuen Reisezielen und Aktivitäten. Manche sind Großeltern und unternehmen Dinge, auf die sie vorher nie gekommen sind“, weiß auch der 61-jährige Reiseblogger Dieter Weirauch, der sich mit Seniorenreisen 60 plus auskennt. Mit seinem Blog einfachraus.eu erreicht er rund 100.000 Leser im Monat. Dabei geben sie im Schnitt pro Kopf und Reise 970 Euro aus, auch das ist mehr als der Durchschnitt. Bei Auslandsreisen wählen sie am liebsten Spanien, vor allem die Kanarischen Inseln, gefolgt von Italien und Österreich. Und sie machen sehr gerne Urlaub im eigenen Land: 41 Prozent der über 65-Jährigen verbrachten 2015 ihren Haupturlaub in Deutschland, bei den Jüngeren waren es 24 Prozent.
Bevor Senioren reisen – an Impfung und Medikamente denken
Doch bevor es losgeht, sollten Senioren vor Reiseantritt einiges beachten. Besonders dann, wenn der Senioren Urlaub zu exotischen Reisezielen führt. So rät, der der zukünftige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie Rainer Wirth, Senioren vor Reiseantritt einen Blick in Ihren Impfpass zu werfen. „Es gibt kaum Impfstoffe, die ein ganzes Leben lang wirken.“ Des Weiteren seien Impfungen bei Senioren manchmal „nicht so wirksam wie bei jüngeren Menschen“. Je nachdem wohin Senioren reisen, müssen Impfungen neu durchgeführt oder unter Umständen wieder aufgefrischt werden. Wenden Sie sich hierfür an Ihren Hausarzt. Er wird Ihnen die nötigen Impfungen verabreichen und falls Sie Medikamente benötigen diese in ausreichender Menge vor ihrem Senioren Urlaub verschreiben.
Tipp:
Wichtige Medikamente gehören übrigens ins Handgepäck. Ein Koffer kann verloren gehen oder verspätet ankommen. So lange kann der Urlauber aber nicht auf sein Blutdruckmittel verzichten.
Was Rentner beim Reisen unbedingt berücksichtigen sollten: Einige Medikamente fallen unter das Betäubungsmittelgesetz. „Wer nicht am Flughafen festgehalten werden möchte, sollte nachweisen können, dass er die Medikamente in seinem Seniorenurlaub aus medizinischen Gründen braucht“, so Wirth. Einen solchen Nachweis, etwa für bestimmte Schmerzmittel, könnte Ihnen der Hausarzt direkt bei der Medikamentenverschreibung mit ausstellen. Ein Aspekt, der nicht außer Acht gelassen werden sollte, ist die Zeitverschiebung. Müssen die Reisenden ihre Medikamente zu einer bestimmten Zeit einnehmen, kann es zu Verwirrungen kommen, wenn sie ihren Seniorenurlaub in einer anderen Zeitzone verbringen. Deshalb sollten sie sich vor Antritt der Reise aufschreiben, zu welcher Uhrzeit am Zielort sie ihre Tabletten nehmen müssen. Besser noch ist eine vorab eingerichtete Erinnerung durch das Smartphone.
Tipp:
Auch ein mobiler Notruf gehört genauso wie eine Reiseapotheke mit in den Koffer. Der mobile Notrufsender ist mit GPS ausgestattet. So können Sie in einer Notsituation überall in Deutschland Hilfe herbeirufen.
Unternehmen haben sich auf Seniorenreisen 60 plus eingestellt
„Man kann nicht alle 70-Jährigen über einen Kamm scheren“, sagt Studiosus-Sprecher Frano Ilic. Die einen machten problemlos normale Studienreisen mit, für jene, die sich weniger zutrauen, habe man unter dem Label „mit Muße“ Reisen entwickelt, die etwas entspannter seien: weniger Hotelwechsel, weniger Besichtigungsprogramm, und vor allem bei Fernreisen sei ein Arzt mit von der Partie. Diese Art der Seniorenreisen 60 plus kommt gut an, so Ilic, wenngleich das Segment in den letzten Jahren nicht deutlich gewachsen sei. Wenn es aber in hohem Alter doch nicht mehr so schnell geht und die Gesundheit nachlässt, sind viele Unternehmen gerüstet: Die Charter-Fluglinie Condor etwa hat die Abläufe beim Einchecken und Boarding so eingerichtet, dass auch langsamere Passagiere stressfrei einsteigen können. Zudem berät ein Mediziner am Boden die Crew, sollte es einen Passagier mit gesundheitlichen Problemen geben. Die Bahn hat im ICE 4 mehr bodennahe Gepäckablagen, Haltegriffe und kontrastreichere Displays eingebaut. Zudem kann eine neue App die oft schlecht verständlichen Durchsagen als Text anzeigen. Brauchen nur noch alle Älteren ein Smartphone, um den Anschluss nicht zu verpassen.