Wenn ein Familienmitglied plötzlich pflegebedürftig wird, trifft das besonders deren Angehörige sehr hart. Denn zusätzlich zum stressigen Beruf müssen Angehörige nun für den Pflegebedürftigen viel planen und organisieren. Berufstätigen fällt es dann oft schwer, Familie, Beruf und Pflegesituation unter einem Hut zu bekommen. Für solche Fälle können sich berufstätige Angehörige kurzzeitig von der Arbeit freistellen lassen und Pflegeunterstützungsgeld beantragen. Doch die attraktive Leistung wird nur selten genutzt. Wir zeigen Ihnen, wie Sie sich die bezahlte Auszeit für zehn Tage sichern.
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ToggleMarkus Keller nutzt das Pflegeunterstützungsgeld für seinen Vater
Sabine und Markus Keller (Namen von der Redaktion geändert) leben zusammen mit ihren zwei Kindern in Köln. Beide sind in Vollzeit berufstätig. Sabine arbeitet als Freie Modedesignerin, ihr Mann als Architekt in einem mittelständischen Unternehmen. Im vergangenen Jahr änderte sich für beide von einem auf den anderen Tag die komplette Situation. Markus Vater verletzte sich bei einem Sturz in seiner Wohnung schwer und wurde völlig unerwartet pflegebedürftig. In dieser Situation nutzte Markus die gesetzliche Möglichkeit, kurzfristig für zehn Tage seiner Arbeit fernzubleiben. Für diese zehn Tage erhielt der 46-Jährige von der Pflegeversicherung eines Vaters das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld als Ersatz für seinen Lohn. In dieser Zeit konnte er sich um seinen Vater kümmern und klären, wie die Pflege im Anschluss an seine Auszeit geregelt werden soll.
Was ist Pflegeunterstützungsgeld?
Manchmal werden Menschen innerhalb kürzester Zeit pflegebedürftig – nach einem Unfall, einer Krankheit oder einem anderen dramatischen Ereignis. Betroffene und ihre Angehörigen sind in dieser Situation schnell überfordert. Um diese Notfälle aufzufangen Haben alle Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine zehntägige Freistellung, wenn in der Familie ein akuter Pflegefall auftritt. Und sie bekommen auf Antrag eine Lohnersatzleistung für diese Zeit: das Pflegeunterstützungsgeld gemäß § 44a Abs. 3 SGB XI. Zudem haben Beschäftigte für die Pflege naher Angehöriger in häuslicher Umgebung einen Anspruch auf vollständige oder teilweise Freistellung von bis 6 Monaten. Dieser Anspruch wird als Pflegezeit bezeichnet. Seit 2015 haben Beschäftigte zudem einen Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit, das heißt auf eine Freistellung bis zu 24 Monaten bei einer verbleibenden Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden für die Pflege eines nahen Verwandten.
Welche Voraussetzungen müssen für das Pflegeunterstützungsgeld erfüllt sein?
Um die Voraussetzungen für Pflegeunterstützungsgeld zu erfüllen, muss eine Akutsituation bei einem Verwandten bestehen. Die liegt vor, wenn:
- Sie erstmals eine bedarfsgerechte Pflege oder Unterbringung im Heim organisieren müssen, zum Beispiel nach der Entlassung aus dem Krankenhaus oder einer Reha-Klinik,
- sich eine bestehende Pflegebedürftigkeit akut verschlimmert und Sie den pflegebedürftigen Angehörigen selbst kurzfristig unterstützen.
Wann ist eine Pflegesituation akut?
Eine Pflegesituation ist akut, wenn sie plötzlich und unerwartet auftritt. Sie erfordert die sofortige Organisation der bedarfsgerechten Pflege oder der pflegerischen Versorgung. Zum Beispiel: wenn nach einem Krankenhausaufenthalt die pflegerische Anschlussversorgung gesichert werden muss. wenn eine Pflegebedürftigkeit plötzlich eintritt oder wenn eine bestehende Pflegebedürftigkeit sich plötzlich verschlechtert. Tipp für die Anerkennung des Pflegeunterstützungsgeld: Lassen Sie sich von dem behandelnden Arzt Ihres Angehörigen eine schriftliche Bescheinigung darüber geben, dass:
- in Ihrer Familie eine akute Pflegesituation eingetreten ist, die Ihre Unterstützung erforderlich macht und
- Ihr naher Angehöriger (voraussichtlich) pflegebedürftig ist (mindestens Pflegegrad 1).
Eine akute Pflegesituation liegt nicht vor, wenn beispielsweise:
- eine akute Erkrankung des Pflegebedürftigen (Bronchitis, Magen-/Darmerkrankung etc.) aufgetreten ist.
- ein Arztbesuch anliegt.
- ein vorübergehender Ausfall der Pflegeperson (durch Krankheit oder Urlaub) entstanden ist.
- der Umzug des Pflegebedürftigen von einer stationären Pflegeeinrichtung in eine andere durchgeführt werden muss.
Wer bekommt Pflegeunterstützungsgeld?
Alle Arbeitnehmer, auch Minijobber und befristet Beschäftigte, bekommen Pflegeunterstützungsgeld, wenn Sie einen nahen Angehörigen betreuen. Selbstständige, Beamte sowie Bezieher von Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld haben keinen Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld.
Nahe Angehörige – wer ist das?
Als einen nahen Angehörigen bezeichnet man eine Person, die zu einer anderen Person oder zu einer Gruppe von Personen in einem besonderen rechtlichen oder sozialen, meist familiären Verhältnis steht:
- Lebenspartner und die Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft
- Verlobte
- Eigene Kinder
- Geschwister
- Schwägerinnen und Schwäger
- Adoptiv- oder Pflegekinder und die Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners
- Schwiegertöchter, Schwiegersöhne
- Enkelkinder
Muss ich einen Antrag auf Pflegeunterstützungsgeld stellen?
Pflegeunterstützungsgeld wird nur auf Antragstellung geleistet. Der Antrag auf Pflegeunterstützungeld ist unverzüglich bei der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen Versicherungsunternehmen zu beantragen. Beim Pflegeunterstützungsgeld Antrag sind folgende Unterlagen erforderlich:
- Antrag auf Pflegeunterstützungsgeld
- Formlose ärztliche Bescheinigung des behandelnden Arztes über die voraussichtliche Pflegebedürftigkeit des Angehörigen
- Entgeldbescheinigung des Arbeitgebers inklusive der Angabe, bei welchen Trägern Sie selbst kranken-, renten- und arbeitslosenversichert sind und ob Sie in den letzten zwölf Monaten beitragspflichtige Einmalzahlungen (zum Beispiel Weihnachts- oder Urlaubsgeld) erhalten haben.
Die Bescheinigung des Arztes muss den Namen des pflegebedürftigen Angehörigen, die Bestätigung der Notwendigkeit zur Organisation oder Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung des Pflegebedürftigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation und den Zeitraum der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung enthalten. Sollte Ihr Antrag auf Pflegeunterstützungsgeld abgelehnt werden, können Sie bei der jeweiligen Kasse Widerspruch einlegen.
Wenn mehrere Angehörige Unterstützungsgeld beantragen
Machen mehrere Beschäftigte ihren Anspruch auf kurzzeitige Arbeitsverhinderung für einen einzelnen Pflegebedürftigen geltend, müssen sie sich das Pflegeunterstützungsgeld teilen. Denn das Unterstützungsgeld beläuft sich gemeinsam auf insgesamt bis zu zehn Arbeitstage pro Jahr. Die zehn Arbeitstage müssen nicht am Stück genommen werden. Arbeitstage zählen nur, wenn der Beschäftigte an dem Tag tatsächlich arbeiten muss.
So beantragen Sie Pflegeunterstützungsgeld bei Ihrem Arbeitgeber
Sie müssen Ihren Arbeitgeber unverzüglich informieren, dass Sie Pflegeunterstützungsgeld beantragt haben und die kurzzeitige Freistellung von der Arbeit in Anspruch nehmen werden. Dazu reicht ein formloses Schreiben an Ihren Arbeitgeber völlig aus. Schicken Sie Ihrem Vorgesetzten oder der Personalabteilung eine E-Mail oder einen Brief. In manchen Unternehmen genügt ein einfacher, bestätigter Anruf. Der Arbeitgeber darf allerdings einen Nachweis über die akute Pflegesituation verlangen. Die Regelung gilt auch für Kleinstbetriebe. Das Pflegeunterstützungsgeld ist eine Lohnersatzleistung. Pflegeunterstützungsgeld erhalten Sie für die Organisation der Pflege und die Pflege von pflegebedürftigen Personen aller Pflegegrade.
Wer zahlt Pflegeunterstützungsgeld?
Das Pflegeunterstützungsgeld zahlt die Pflegeversicherung beziehungsweise bei Privatversicherten das Versicherungsunternehmen der privaten Pflege-Pflichtversicherung. Um das Geld zu erhalten, müssen Sie bei den entsprechenden Stellen einen Antrag auf Pflegeunterstützungsgeld stellen.
Wie hoch ist das Pflegeunterstützungsgeld?
Das Pflegeunterstützungsgeld beträgt brutto: 90 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts (ohne Einmalzahlung in den letzten 12 Monaten), beziehungsweise 100 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts (mit Einmalzahlung in den letzten 12 Monaten). Aus dem Pflegeunterstützungsgeld müssen – wie aus Ihrem Lohn oder Gehalt auch – Beiträge zur Arbeitslosen- sowie zur Renten- und Krankenversicherung geleistet werden. Ist der Pflegebedürftige gesetzlich krankenversichert, werden diese Beiträge zur Hälfte von der Pflegekasse bzw. dem privaten Pflegeversicherungsunternehmen getragen. Die andere Hälfte zahlt der Leistungsempfänger des Pflegeunterstützungsgeldes. Privat Krankenversicherte erhalten auf Antrag Zuschüsse zur Krankenversicherung. Für Beamte gelten besondere Regelungen zur kurzzeitigen Arbeitsverhinderung und zu einem Gehaltsvorschuss. Bitte erkundigen Sie sich dazu bei Ihrem Dienstherrn.
Ein Beispiel zur Höhe des Pflegeunterstützungsgeldes
Frau Meier nimmt zur Organisation der Pflege ihrer Mutter zehn Tage kurzzeitige Arbeitsverhinderung in Anspruch. In diesem Zeitraum hat sie einen Nettoverdienstausfall in Höhe von 500 Euro. Daraus ergibt sich ein Brutto-Pflegeunterstützungsgeld von 45 Euro pro Kalendertag (90 Prozent von 500 Euro geteilt durch 10 Tage). Für die zehn Tage erhält Frau Maier 450 Euro brutto. Beitragsbemessungsgrenze 2020 zum Pflegeunterstützungsgeld Die Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung (Brutto, West und Ost) beträgt 2020
- pro Jahr: 56.250 Euro
- pro Monat: 4.687,50 Euro
- pro Tag: 156,25 Euro
70 Prozent von 156,25 Euro sind 109,38 Euro. Dies ist der Höchstbetrag, bis zu dem das Pflegeunterstützungsgeld 2020 kalendertäglich gezahlt werden kann.
Wie oft kann ich Pflegeunterstützungsgeld beantragen?
Es können mehrere Akut-Situationen auftreten – ein Sturz oder ein Schlaganfall zum Beispiel. In diesen Fällen können Sie Pflegeunterstützungsgeld beantragen und die Beurteilung erfolgt immer individuell.