„Das Risiko war es wert“. Ist es das wirklich? Immer mehr ältere Menschen lassen sich im Krankenhaus operieren. Doch wie gefährlich sind Operationen für ältere Menschen im Krankenhaus wirklich? Worauf sollten ältere Patienten und ihre Angehörige achten? Unser Fazit fällt eindeutig aus.
Mit 101 Jahren noch eine Operation im Krankenhaus
Aufrecht sitzt sie, strahlt und erzählt Anekdoten aus ihrem Berufsleben – obwohl das schon ein halbes Menschenleben zurückliegt. Sie habe ja noch alles auf der Schreibmaschine geschrieben, sagt die Frau, die einst leitende Mitarbeiterin der Kölner Bezirksregierung war, und lacht. Maria S. trägt die grauen Haare etwas länger, wirkt rüstig und voller Lebensfreude, als sie in einem Patientenzimmer im Herzzentrum der Uniklinik auf den Professor wartet. Erst vor vier Wochen hatte sie Stephan Baldus am Herzen operiert – und das im Alter von 101 Jahren. „Sie ist sicherlich eine der ältesten Patienten, die mit dieser Technik an der Herzklappe operiert worden sind“, sagt Baldus und klingt durchaus stolz.
„Lohnt sich das noch?“ Wie gefährlich sind Operationen für ältere Menschen im Krankenhaus?
Viele halten das Risiko einer Operation im hohen Alter für zu groß. Auch wegen der oft notwendigen Vollnarkose. Doch das Risiko, aus der Narkose nicht mehr aufzuwachen, ist praktisch null. Das gilt auch für Hochbetagte. Denn während der Narkose werden die Patienten so gut überwacht wie auf einer Intensivstation. Trotzdem werden Operationen an hochbetagten Patienten oft für eine Gratwanderung gehalten. Was ist unangemessen? Es gibt keine definierte Altersgrenze für OPs an deutschen Kliniken. Für Ärzte ist die gesundheitliche Verfassung entscheidender als das nummerische Alter. Es handelt sich um einen gemeinsamen Abwägungsprozess. So war es auch bei Maria S. Die gebürtige Kölnerin hatte einen sogenannten Sehnenfadenabriss an einer der vier Herzklappen erlitten. Dadurch war die Klappe undicht. „Ich habe überhaupt keine Luft mehr bekommen. Nach zwei Schritten war die Luft aus“, sagt Maria S. Außerdem hatte sie extreme Wassereinlagerungen. Mit Medikamenten konnte Maria S. nicht mehr weiter therapiert werden. Den Brustraum und das Herz zu öffnen, um den Sehnenfaden wieder zu fixieren, sei in dem hohen Alter zu riskant. Doch mutig entschied sie sich für den Eingriff. Dabei wurde ein Katheter über eine Punktion in der Leiste eingeführt und bis zum Herzen gesteuert. Das Ergebnis: Die Mitralklappe ist nun wieder dicht. Eineinhalb Stunden dauerte die Operation, die in Deutschland etwa 5000-mal pro Jahr vorgenommen werde. „Es ist toll, dass mit einem so kleinen Eingriff eine solche Wirkung erzielt werden kann“, sagt Maria S. bei ihrer Nachuntersuchung.
Jeder achte OP-Patient im Krankenhaus ist 80 Jahre alt oder älter
Auch Frieda N. stand mit ihren 84 Jahre vor der Frage: Soll sie sich in ihrem Alter noch ein künstliches Hüftgelenk einsetzen lassen? Viele rieten ihr von dem Eingriff ab. Selbst ihr Hausarzt fand, dass das in ihrem Alter nicht mehr günstig ist. Sie entscheidet sich schließlich für die Operation – und ist heute froh. Durchgeführt wurde der Eingriff in der Klinik für Orthopädie und Endoprothetik der Uniklinik Leipzig. Es war eine minimal-invasive Operation. Konkret heißt das: nur ein kleiner Hautschnitt, wenig Gewebeverletzung und intensive Schmerztherapie. Bei dieser Operationstechnik bluten die Patienten kaum, was ihr Herz schont und den Kreislauf. Bettruhe nach der OP ist nicht mehr notwendig. Für alte Menschen die perfekte Operationstechnik. Frau N. konnte sofort nach dem Eingriff aufstehen. Am Tag danach sitzt sie schon am Kaffeetisch und strahlt. In wenigen Tagen wird die 84 Jährige eine Frührehabilitation machen und danach nach Hause gehen. Die Entscheidung zur Operation scheint also richtig gewesen zu sein.
Wo liegen die Gefahren bei einer Operation im Alter
Ursache für Komplikationen bei Operationen von älteren Menschen im Krankenhaus
Die Ursache dafür sieht die Uniklinik Aachen im Pflegemangel. Es gebe zu wenig Pflegepersonal, um sich ausreichend gerade um die ältesten Patienten zu kümmern. Schon die ersten Anzeichen davon sollten erkannt werden. Dafür fehle dem Personal aber die Zeit. Schnell kommt es da zum Beispiel zu einer Lungenentzündung.
Tipp:
Patienten sollten sich sehr genau aussuchen, in welcher Klinik sie sich operieren lassen. Dabei ist vor allem die Versorgungsqualität auf der Station wichtig.
Der Altersmediziner Clemens Becker ist überzeugt, dass sich die Versorgung alter und gebrechlicher Menschen in unseren Krankenhäusern demnächst grundlegend ändern wird: „In der operativen Medizin brauchen wir eine völlig andere Arbeitsorganisation. Wir brauchen ein interdisziplinäres Team. Genau wie wir das in der Geburtshilfe haben. Auf den Stationen brauchen wir eben Altersmediziner und Chirurgen, die diese ersten Tage, rund um die Operation steuern und entsprechend betreuen.“