Ferienzeit ist Urlaubszeit. Wer Angehörige pflegt, muss länger als andere planen. Denn es geht nicht nur um die Reise des pflegenden Angehörigen, sondern auch um die Versorgung eines hilfebedürftigen Menschen. Und es geht vor allen Dingen auch darum, wie das alles finanziert werden kann.
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TogglePflegende Angehörige seit über 20 Jahren nicht mehr verreist
Einfach mal weg, entspannen, an einem anderen Ort Kraft tanken für den Alltag zu Hause: Was für viele von uns im Sommer selbstverständlich ist, ist für pflegende Angehörige oft sehr schwierig. Laut einer Online-Umfrage haben pflegenden Angehörige im Durchschnitt seit knapp neun Jahren keinen Urlaub mehr gehabt! Manch einer ist seit über 20 Jahren nicht mehr verreist. Wer sich zu Hause um einen pflegebedürftigen Menschen kümmert, braucht unbedingt Urlaub. Denn pflegende Angehörige sind tagtäglich für ihre Nächsten da und in ihrem Alltag häufig großen psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt. Damit pflegebedürftige Angehörige während eines Urlaubs weiter zu Hause gepflegt werden können, gibt es die Möglichkeit, Verhinderungspflege (Ersatzpflege) bei der Pflegekasse zu beanspruchen. Dafür können im Kalenderjahr Leistungen im Wert von bis zu 2.418 Euro in Anspruch genommen werden. Um dieses Geld zu erhalten, müssen Sie jedoch einiges beachten. Das Wichtigste über die Verhinderungspflege in Kürze:
- Die Pflegekasse übernimmt nachgewiesene Kosten der Verhinderungspflege (Ersatzpflege) für maximal 6 Wochen pro Jahr.
- Zu dem Zeitpunkt, an dem Betroffene die Verhinderungspflege in Anspruch nehmen wollen, müssen sie mindestens den Pflegegrad 2 haben.
- Voraussetzung ist, dass jemand bereits sechs Monate vorher zu Hause gepflegt wurde.
- Die Pflegekasse übernimmt Kosten bis zu 2.418 Euro je Kalenderjahr, falls die Verhinderungspflege von einem Pflegedienst, qualifizierten Betreuungskräften z. B. von der ProVita, oder “Nicht-Verwandten” übernommen wird.
- Wenn die Ersatzpflege von Personen übernommen wird, die mit dem Pflegebedürftigen in häuslicher Gemeinschaft wohnen oder bis zum 2. Grad mit ihm verwandt oder verschwägert sind, gibt es weniger Geld.
- Das Pflegegeld wird während der Verhinderungspflege mindestens zur Hälfte weitergezahlt. Ist die Urlaubsvertretung weniger als acht Stunden täglich beim Pflegebedürftigen wird das Pflegegeld nicht gekürzt.
- Wer mehr Geld braucht, kann auch bis zu 806,- Euro von der Kurzzeitpflege verwenden.
Was ist die Verhinderungspflege (Ersatzpflege)?
Wenn pflegende Angehörige – sei es wegen Krankheit, Urlaub oder eines allwöchentlichen Kegelabends – die Pflege nicht übernehmen können, zahlt die Pflegeversicherung die Kosten für eine Ersatzpflege – und zwar für insgesamt bis zu sechs Wochen im Jahr. Das nennt sich Verhinderungspflege und ist in Paragraf 39 Sozialgesetzbuch (SGB XI) geregelt. Verhinderungspflege ist meist die erste Wahl, wenn pflegende Angehörige vorübergehend an der Pflege gehindert sind oder einen Urlaub brauchen. Die pflegebedürftige Person kann dann weiterhin zu Hause versorgt werden – nur durch eine andere Person. Lesen Sie dazu einen Erfahrungsbericht von einer pflegenden Angehörigen. Grundsätzlich können ehrenamtliche Helfer, Verwandte, Bekannte, ein Pflegedienst oder auch qualifizierte Betreuungskräfte die Verhinderungspflege übernehmen. Eine Kombination ist ebenfalls möglich. Die Ersatzpflege führt entweder eine ehrenamtliche Pflegeperson oder ein professioneller Pflegedienst aus. Meistens springen jedoch Verwandte ein.
Achtung:
Wird die Ersatzpflege innerhalb der Familie geregelt, übernimmt die Pflegekasse aber nicht 1612 Euro – sondern nur Kosten in Höhe des 1,5fachen des Pflegegeldes.
Übrigens: Pflegen nahe Angehörige – also Kinder, Enkel, Schwiegerkinder – eine pflegebedürftige Person zu Hause, können angefallene Kosten bei der Pflegekasse geltend gemacht werden – etwa Fahrtkosten oder Verdienstausfall.
Tipp:
Sammeln Sie entsprechende Belege. Senden Sie diese an die Pflegekasse und beantragen Sie die Übernahme der Kosten.
Sinnvoller ist es, wenn ein Außenstehender – zum Beispiel der Nachbar oder eine qualifizierte Betreuungsperson – die Pflege durchführt. Dann übernimmt die Pflegekasse für die Verhinderungspflege 1612 Euro im Jahr, die auf sechs Wochen verteilt werden können.
Wer hat einen Anspruch auf Verhinderungspflege?
Anspruch auf Verhinderungspflege haben grundsätzlich alle Menschen mit den Pflegegraden 2 bis 5. Wer nur Pflegegrad 1 zuerkannt bekommen hat, hat also kein Anrecht auf die Bezahlung einer Ersatzpflegekraft. Zusätzlich gibt es 2 entscheidende Voraussetzungen: 1.) Der Pflegebedürftige muss zum Zeitpunkt, an dem ein Antrag auf Verhinderungspflege gestellt wird, zuvor mindestens 6 Monate zuhause gepflegt worden sein. 2.) Mindestens eine ehrenamtliche Person, also ein Verwandter, Freund oder Nachbar, muss regelmäßige Pflege dort leisten. Wer ausschließlich von einem Pflegedienst versorgt wird, hat demnach keinen Anspruch auf Verhinderungspflege, weil niemand verhindert ist. Menschen mit Pflegegrad 1 haben keinen Anspruch auf Verhinderungspflege!
Wie beantrage ich als pflegender Angehöriger die Verhinderungspflege?
Die Verhinderungspflege wird von den Kassen in der Regel unbürokratisch gehandhabt. Pflegende Angehörige müssen nicht etwa ihre Urlaubspläne nachweisen oder gar bei einer Erkrankung ein ärztliches Attest vorlegen, um zu beweisen, dass für sie eine Pause bei der Pflege erforderlich ist. Voraussetzung für die Gewährung der Verhinderungspflege ist, dass die jeweiligen Pflegepersonen schon mindestens sechs Monate lang die Pflege in der häuslichen Umgebung ausgeübt haben.
Ersatzpflege auch für kurze Auszeiten
Das zeitliche Budget von sechs Wochen kann innerhalb eines Kalenderjahres beliebig aufgeteilt werden – etwa für sechs „Kurzurlaube“ von jeweils einer Woche. Es geht aber auch stundenweise – etwa für Kinobesuche. Wichtig ist es zu wissen: Wer die Ersatzpflege nur für wenige Stunden in Anspruch nimmt, greift das zeitliche Budget von sechs Wochen nicht an. Kostet etwa eine Ersatzpflege für die Zeit, in der eine pflegende Angehörige verhindert ist, 40 Euro und ist der pflegende Angehörige nur für drei Stunden verhindert, so reduziert sich nur der zur Verfügung stehende Jahresbetrag (in diesem Fall von 1.612 auf 1.572 Euro). Das zeitliche Budget von sechs Wochen wird dagegen nur bei einer „Auszeit“ von der Pflege, die mindestens acht Stunden dauert, angegriffen. Dazu ein Beispiel: Lisa Meier (48) pflegt ihre Mutter. Jeden Mittwochabend geht sie für drei Stunden ins Fitness-Studio. Sie möchte in der Zeit ihre pflegebedürftige Mutter nicht alleine lassen. Daher ist in dieser Zeit eine Nachbarin da. Sie erhält dafür jeweils 15 Euro, die sie Lisa Meier stets quittiert. Insgesamt fallen dafür im Jahr (48 x 15 Euro =) 720 Euro an Kosten an. Im Budget, das für die Verhinderungspflege zur Verfügung steht, sind damit noch (1612 – 720 =) 892 Euro übrig. Das zeitliche Budget wird durch die stundenweise Abwesenheit nicht angegriffen. Der Restbetrag kann Lisa Meier so zum Beispiel für eine bis zu sechswöchige Verhinderungspflege in einem längeren Urlaub nutzen.
Wer kann die Verhinderungspflege durchführen?
Wenn der Pflegebedürftige zu Hause bleiben möchte, kann die Verhinderungspflege von einem Pflegedienst, von qualifizierten Betreuungskräften, einer Tagespflege, einem Pflegeheim oder von Personen, die dem Pflegebedürftigen nahestehen, erbracht werden. Jeder Bekannte, Nachbar oder Angehörige der oder des Pflegebedürftigen kann also in der Zeit, in der die „standardmäßige“ Pflegeperson verhindert ist, die Betreuung übernehmen und dafür Geldleistungen erhalten. Eine Eignungskontrolle durch die Pflegeversicherung gibt es nicht.
Tipp:
Es ist ratsam eine qualifizierte Betreuungskraft, wie von der ProVita, für die Verhinderungspflege zu beauftragen. So sind Sie sicher, dass die zu pflegende Person in qualifizierten Händen ist. Dies gibt Ihnen, als pflegende Angehörige, ein gutes Gefühl, wenn Sie im Urlaub sind.
Was übernimmt die Pflegekasse?
Wenn eine professionelle Betreuungskraft die Pflege durchführt, übernimmt die Pflegekasse für die Verhinderungspflege in allen Pflegegraden pauschal bis zu 1.612 Euro im Jahr, die auf sechs Wochen beziehungsweise 42 Tage verteilt werden können. Es besteht auch die Möglichkeit, zusätzlich bis zu 806 Euro aus den Leistungen für die Kurzzeitpflege zu verwenden. Falls das Budget für die Kurzzeitpflege in einem Jahr noch nicht ausgeschöpft wurde, sind hiervon noch maximal 806 Euro für die Verhinderungspflege nutzbar, sodass der mögliche Rahmen für die Verhinderungspflege dann auf maximal (1.612 + 806 =) 2.418 Euro steigt. Der Etat für die Kurzzeitpflege (ebenfalls maximal 1.612 Euro) ist also zur Hälfte auf die Verhinderungspflege übertragbar. Die genannten Beträge gelten für die Pflegegrade 2 bis 5 gleichermaßen. Es gibt also hier keine Abstufung nach Pflegegraden. Sowohl das Zeit-Budget als auch das Geld-Budget kann von den Betroffenen frei genutzt werden. Die Pflegekasse finanziert also die Verhinderungspflege jährlich für eine Dauer von bis zu sechs Wochen mit maximal 2.418 Euro. Helfen Familienangehörige ersten oder zweiten Grades, zum Beispiel Kinder, Enkel oder Schwiegerkinder oder Personen, die im Haushalt des Pflegebedürftigen wohnen, gibt es geringere Beträge. Die Helfer bekommen dann nur Ersatzpflege in Höhe des Pflegegeldes für den Zeitraum ausbezahlt, in dem sie helfen – maximal jedoch für bis zu sechs Wochen. Im Pflegegrad 2 gibt es bis zu 474 Euro im Jahr, im Pflegegrad 5 bis zu 1.351,50 Euro. Zusätzlich können Verwandte ihre notwendigen angefallenen Kosten bei der Pflegekasse geltend machen (zum Beispiel Fahrtkosten oder Verdienstausfall). Insgesamt dürfen 1.612 Euro pro Jahr jedoch nicht überschritten werden.
Die Höhe der Leistungen im Überblick:
Pflegegrad | Verhinderungspflege durch nahe Angehörige bis zu 6 Wochen im Kalenderjahr | Verhinderungspflege durch Professionelle bis zu 6 Wochen im Kalenderjahr |
1 | keine | keine |
2 | 474 Euro | 1.612 Euro |
3 | 817,50 Euro | 1.612 Euro |
4 | 1.092 Euro | 1.612 Euro |
5 | 1.351,50 Euro | 1.612 Euro |
Wie das Abrechnungsverfahren funktioniert
Die Verhinderungspflege ist eine Leistung der Kostenerstattung. Formal verläuft das Verfahren so: Die mit der Verhinderungspflege beauftragte Betreuungskraft oder ein Nachbar oder Angehöriger übernimmt in Abwesenheit der regulären Pflegeperson die Betreuung des Pflegebedürftigen. Seine Leistung stellt er diesem in Rechnung. Die Rechnung wird dann bei der Pflegekasse zur Erstattung eingereicht.
Tipp:
Eine Betreuungskraft kann aber auch – über eine Abtretungserklärung – direkt mit der Pflegekasse abrechnen. Die Verhinderungspflege muss nicht vorher beantragt werden.
Tipp:
Bei den Pflegekassen gibt es meist auch ein Formular, mit dem Leistungen wegen Verhinderungspflege (= Ersatzpflege) beantragt werden können. Meist sind diese Anträge auch aus dem Internet herunterzuladen. Beim “Antrag auf Leistungen der Pflegekasse bei Verhinderung einer Pflegeperson“ sollten diejenigen besonders aufpassen, die nur für weniger als acht Stunden am Tag eine Ersatzpflege benötigen. Dann müssen sie unbedingt die Rubrik “Stundenweise Verhinderungspflege (die Pflegeperson ist weniger als 8 Stunden täglich verhindert)“ ankreuzen. So geht ihnen vom Zeit-Budget für die Verhinderungspflege nichts verloren.
Halbes Pflegegeld wird weitergezahlt
Seit 2013 geht das von der Kasse gezahlte Pflegegeld in der Zeit der Verhinderungspflege nur noch teilweise verloren. Das Pflegegeld wird bis zu sechs Wochen lang zur Hälfte weitergezahlt, wenn die Pflegebedürftigen in Verhinderungspflege sind (Paragraf 37 Absatz 2 SGB XI).
Aber Achtung:
Fällt die reguläre Pflegeperson nur für weniger als acht Stunden am Tag aus und wird während dieser Zeit das Angebot der Verhinderungspflege genutzt, so hat dies ohnehin keinerlei Auswirkungen auf die Zahlung des Pflegegelds.
Hilfe für pflegende Angehörige
Die Pflege eines Angehörigen ist emotional und körperlich fordernd. Hohe Kosten, behördliche Gänge sowie gesetzliche Tücken im Pflegealltag stellen pflegende Angehörige vor gewaltige Herausforderungen. Besonders Laien sind dann auf Rat und Unterstützung angewiesen. Sind Sie pflegender Angehöriger, dann können Sie sich bei der ProVita Hilfe holen. Falls Sie für Ihren geplanten Urlaub eine Ersatzkraft benötigen, stellen wir Ihnen eine qualifizierte Betreuungskraft für diesen Zeitraum zur Verfügung. Da wir sehr eng mit den Pflegekassen zusammenarbeiten, übernehmen wir darüber hinaus auch die komplette Abwicklung mit der Kasse für Sie.